Letze Aktualisierung Bernhard Merl 09.01.2022

©Lauftreff Teublitz 1987

 

 

 

Von Nachtläufern, Walvoyeuren und Gipfelstürmern
Lauf- u. Abenteuerreise des LT Teublitz in das Land der Wikinger, Fjorde und Mitternachtsonne vom 15. bis 21. Juni

Natürlich haben wir alle unseren Stammchronisten Jackl Jobst bei dieser Reise nach Tromsoe in Nordnorwegen schmerzlich vermisst,
wo er doch so ein naturverbundenen Mensch ist und gerade Norwegen ein Synonym für intakte Natur und großartige Landschaften ist. Ich versuche mein bestes, als Chronist bei dieser Reise in die Presche zu springen, und hoffe, dass mir dies gelingen wird.
Aber warum verlässt eine Laufgruppe freiwillig unseren Breitengrad bei angenehmen Junitemperaturen von über +25 ° Celsius, um nach vier Flugstunden Richtung Norden jenseits des Polarkreises bei ungemütlichen +8 Grad Celsius, Regen und Wind aus dem Flieger in Tromsoe zu steigen.
Dafür muss es aber schon trifftige Gründe geben, die ein solches Vorhaben, das wiederum zum Höhepunkt des Jahres zählen soll, rechtfertigen. Und diese Gründe gab es tatsächlich.
Um es vorwegzunehmen: nicht nur das Wetter wurde täglich besser, sondern das Reiseunternehmen erfuhr eine Steigerung von Tag zu Tag.
Was hat es also mit dem „Kaff“ Tromsoe auf sich, wo liegt es und warum war es für uns Läufer als Reiseziel so interessant?
Tromsoe liegt am Europäischen Nordmeer, nur 2000 km vom Nordpol entfernt und über 300 km jenseits des Polarkreises. Hier treffen die schroffen, dunklen und schneebedeckten Gipfel der Lyngsalpen auf die grünen Wiesen an den Fjorden und die nackten Inseln draußen im Nordeismeer liegen im Sommer mitten im Nordlichtgürtel unter der Mitternachtssonne und im Winter im blauen Licht der Polarnächte.
Umgeben von spitzen Gipfeln bis zu 1833m Höhe, von rauschenden Flüssen und blauen Gletschern, von Klüften, Schluchten und sanft bewaldeten Hügeln wird die Metropole von Troms, die mit 63.000
Seelen eine der am schnellsten wachsenden Städte Norwegens ist.
Hier sieht man fast nur junge Leute mit Kindern und kaum ältere Bewohner. Dies bestätigte auch unsere Reiseführerin Lena.
Näheres über die Stadt Tromsoe, die 1794 gegründet wurde, konnten wir am nächsten Tag bei einer Stadtrundfahrt von unserer netten Reiseführerin erfahren. Interessant für uns Deutsche waren die Klimawerte. Hier sind die Sommer kühl (im Juli +12 ° Celsius im Durchschnitt) und die Winter wegen dem Einfluss des Golfstromes mild (-4,4 ° Celsius durchschnittlich im letzten Jahr).
Den letzten Hitzerekord gab es hier 1972 mit + 30 ° C und es kann schon mal vorkommen, dass im August Schnee fällt. Einen Rekord diesbezüglich gab es 1997, als der Schnee bis zu 2,4 m hoch war.
Tromsoe befindet sich in der Nordlichtzone. Zu diesem Thema gibt es eine eigene Nordlichtausstellung, ein Nordlichtobservatorium und ein Forschungszentrum. Geprägt ist diese Stadt auch von den Eismeerjägern und den weltberühmten Polarforschern Roald Amundsen (1872-1928) und Fridtjof Nansen. Alle Expeditionen wurden von Tromsoe aus gestartet. Das einzigartige Polarmuseum wurde 1978, auf den Tag genau 50 Jahre nach dem Flugzeugabsturz von Roald Amundsen, zu seinem Gedenken eröffnet. Neben dem Leben und den Expeditionen dieses bekanntesten Polarforschers Norwegens kann man etwas über den Robbenfang, die Pelztierjagd, den Polarfuchsfang und die Rentierjagd in der Arktis erfahren. Will man etwas über die Tierwelt in der Arktis oder zum Thema Polargebiete wissen, so ist man im POLARIA Museum bestens aufgehoben. Als Einstieg wird ein faszinierender 20-minütiger Panoramafilm über Spitzbergen (Svalbard) gezeigt. Wir fühlten uns hautnah als Wanderer in der polaren Szenerie unter dem Nordlicht und die arktische Wildnis um uns. Danach bestaunten wir in einem riesigen Aquarium Robben und andere Meerestiere. Eine weitere Attraktion ist das Glasbodenbecken mit Robben, die man von unten beobachten kann. Eine Robbenfütterung beschloss dann diesen eindrucksvollen Museumsbesuch
Zurück zum Stadtrundgang: 1972 wurde in Tromsoe die nördlichste Universität der Welt gegründet. Mit 6.500 Studenten zählt die Universität zu einem der größten Arbeitgeber der Stadt. Das Universitätsmuseum bietet die größte Ausstellung Norwegens über die Samische Kultur. Die Geschichte und das Leben dieses Volkes wurden von unserer Reiseführerin detailliert erklärt, die selbst Samische Vorfahren hat Außerdem beeindruckten beachtliche Exponate aus der Steinzeit, Wikingerzeit und des Mittelalters die Teublitzer Lauffreunde.
Es gibt nur zwei Fischerei-Hochschulen in der Welt, eine davon in Tromsoe. Und auch die nördlichste katholische Kirche der Welt mit Bischofsitz steht hier. Weltweite Aufmerksamkeit erfuhr dieser Ort, als Papst Johannes Paul II diese Stiftskirche im Jahre 1989 besuchte.
Ein Highlight bei der Stadtrundfahrt war die Besichtigung der Eismeerkathedrale, die 2 km östlich vom Stadtzentrum am Auslauf der Tromsoe-Brücke auf dem Festland liegt. Das Dach der Kirche symbolisiert die Art, wie das Nordlicht Tromsoes dunkle Winternächte erhellt. Die einzigartige Westwand der Kathedrale besteht ganz aus Buntglasfenstern. Die Damen unserer Laufgruppe konnten einem Konzert in dieser wunderschönen Kirche beiwohnen, von dem sie restlos begeistert waren.
Samstag war dann der Lauftag des sogenannten Mitternachtssonnen-Marathons. Nachdem der Startzeitpunkt für den Halbmarathon erst auf 22:30 Uhr festgelegt war, galt es die freie Zeit tagsüber zu überbrücken. Auf dem langen Weg von unserem „Scandic Hotel“ in Flughafennähe zum Stadtzentrum, das auf der Insel liegt, bewunderten wir die Vielfalt des arktisch-alpinen botanischen Gartens. Von Mitte Mai bis Oktober blühen hier im nördlichsten botanischen Garten der Welt Tausende von arktischen und alpinen Pflanzen. Der Umweg ging zwar leicht in die Beine, aber hatte sich doch gelohnt. Der 7 km lange Fußmarsch ins Stadtzentrum signalisierte aber auch, dass ein Einlaufen vor den Halbmarathon nun nicht mehr notwendig war.
Die große Frage vor dem Lauf war, wie ziehe ich mich an: lang, halblang oder kurz? Angenehme 8° Celsius und wenig Wind unmittelbar vor dem Start erleichterten die richtige Entscheidung eines jeden Einzelnen.
Beim Start am Kulturhaus fanden sich 300 Halbmarathonläufer ein. Die Marathonläufer waren zu diesem Zeitpunkt schon zwei Stunden unterwegs. Eine Aufwärmgymnastik kurz vor dem Start heizte den Läufern richtig ein.
Endlich fiel der Startschuss.
Als erster Teublitzer stürmte Hans Nuber nach vorne und nach einer Innenstadtschleife ging es an der Küste entlang hinaus Richtung unseres Hotels. Das ehrgeizige Seniorentrio über 50 Merl, Kraus und Huber lieferte sich ein spannendes Rennen. Das Trio ergänzte auch Willi Köppl, der sich einiges vorgenommen hatte. Charly Münzel, auch über 50, folgte mit Abstand. Lisa Huber, Georg Süß und Angelika Huber liefen locker ihr eigenes Rennen dahinter und genossen den Lauf in vollen Zügen. Die wellige Wendepunktstrecke forderte besonders auf dem Rückweg zum Ziel nochmals besondere Kraftanstrengungen. Hans Nuber lief souverän und unangefochten als erster Lauftreffler ins Ziel. Als Gesamt-13., schnellster Deutscher und dritter in der M45 schnitt Hans Nuber glänzend ab und war mit seiner Leistung hochzufrieden. Nach einer großen Energieleistung hielt Willi Köppl einen sehr starken Bernhard Merl (Vierter der M50) knapp in Schach und lief dabei in die Nähe seiner Bestleistung. Walter Kraus lief trotz Rückenbeschwerden ein bravouröses Rennen und zog bei km 7 an Gerd Huber vorbei, der im Ziel über zwei Minuten zurücklag. Schon vor dem Rennen klagte Gerd Huber über leichten Schüttelfrost. Nicht im Vollbesitz seiner Kräfte erreichte Gerd in keiner Rennphase Normalform, belegte aber trotzdem einen guten vierten Platz in seiner Altersklasse M55.
Seine Ehefrau Lisa lief einen glänzenden Sieg in der W55 heraus. Damit war die Familienehre ja gerettet. Und auch die nicht so ambitionierte Tochter Angelika hatte ihr gestecktes Ziel „auf jeden Fall ankommen“ klar erreicht und machte im Ziel noch einen frischen Eindruck.
Charly Münzel fehlte noch die Tempohärte nach einer unlängst überstandenen Magen-Darm-Virusinfektion und war mit seiner soliden Leistung zufrieden. Georg Süß brachte auch wieder eine konstante Leistung. Vater Bernhard war stolz auf seinen Filius.
Wie viel der Einzelne von der optisch schönen Strecke mitbekommen hatte, ist nicht bekannt. Doch es war schon ein erhebendes Gefühl, zu diesem Zeitpunkt in der Mitternachtsonne bei völliger Helligkeit zu laufen. Die zahlreichen Zuschauer an der Strecke munterten die Läufer mit „heja, heja“- Rufen auf und feuerten die Läufer mit dem Vornamen an. Schade war das ausgedünnte Feld, obwohl auf den letzten 10 km die beiden Felder Marathon und Halbmarathon zusammengeführt wurden.
Nachdem die Teublitzer sich umgezogen hatten, wurde noch ein Gruppenfoto mit Vereinsflagge geschossen. Ein Shuttle-Bus der Firma Travelstar traf pünktlich ein und um kurz nach 1:00 Uhr war das Hotel wieder erreicht.
Für den Sonntag war Erholung angesagt. Kurzfristig entschloss man sich, eine kombinierte Bus- und Schiffsreise in das Reiseprogramm mit aufzunehmen. Dies zahlte sich wirklich aus.
Die Rundreise noch weiter nördlich begann um 16:00 Uhr am Busterminal in Tromsoe. Von dort fuhren wir mit dem Bus nach Breivikeidet, wo wir die Fähre über den Ullsfjord nach Svensby
nahmen. Von dort setzten wir die Fahrt nach Lyngseidet mit atemberaubenden Ausblicken auf die majestätischen Lyngsalpen, einer der wildesten Gebirgsregionen Norwegens fort. Die Landschaft ist bedeckt mit kleinen Gletschern und Gebirgsspitzen bis zu einer Höhe von 2.000 m. Mit einer weiteren Fähre überquerten wir den Langsfjord und einen Teil des Kafjords, ehe wir Olderdalen erreichten. Auf der Straße von Olderdalen nach Skjervoey konnten wir immer wieder kleine Siedlungen erkennen und kurz vor Skjervoey fuhr unser Bus durch ein Unterwasser-Tunnel.
In Skjervoey wartete bereits das große über 700 Personen fassende Passagierschiff „MS Polarlys“ auf uns. Es gehört der bekannten „Hurtigruten“-Gesellschaft an. Drei Stunden lang befanden wir uns jetzt auf einem Teil der schönsten Reiseroute der Welt. Die Mitternachtsonne, der feine Nebel und der salzige Geruch von Seeluft begleitete uns auf der Schiffsreise zurück in den Hafen von Tromsoe, den wir genau um Mitternacht erreichten.
Am Montag nahmen wir an einer Walsafari teil. In einem nagelneuen Katamaran der „Arcit Voyage“ stachen wir pünktlich um 16:00 Uhr vom Treffpunkt Torghulen aus in See. Die Crew gab eine kurze Sicherheitseinweisung und wies auch auf die mögliche Seekrankheit hin. Zunächst verlief die Fahrt ruhig bis wir entlang einiger Fjorde hinaus ins offene Meer kamen. Jetzt beschleunigte der Katamaran seine Fahrt und wurde immer schneller. Dies führte zu teils heftigen schwankenden Bewegungen. Einige unserer Laufgruppe nahmen im hinteren Teil des Speedbootes Platz, weil man dort die Schwankungen nicht so spürte. Sie wollten damit den Brechreiz bekämpfen.
Nach fast drei Stunden war das Walbeobachtungsgebiet erreicht.
Hier fiel die Meerestiefe von 160 m auf über 1000 m jäh ab. Die Motoren des Bootes wurden jetzt abgeschaltet. Lautlos trieben wir auf hoher See. Es herrschte eine ungewöhnliche Spannung. Fast alle Insassen hatten sich auf dem Deck versammelt, die Kamera-objektive wurden bereitgehalten. Weil die Wale nur kurz zum Luftholen auftauchen und dann wieder 40 Minuten unter Wasser bleiben, ist die Phase des Identifizierens nur eine ganz kurze. Man kann nur die Oberfläche des Wals und beim Abtauchen die riesige Schwanzflosse erkennen. Die Garantie, in dieser Zone Wale zu sehen, liegt bei 90 %. Außer einigen Seevögeln rührte sich nichts. Gierig wie Voyeure starrten die Walbeobachter auf das Meer, die Kamera stets schussbereit.
Nach vergeblichen Umkreisungen der Zone wollte das Boot schon abdrehen, dann ein Schrei „Wal“ und tatsächlich sahen wir Umrisse des größten Säugetieres der Welt. Der Bann war gebrochen und wir konnten sogar noch drei bis vier weitere Wale aufspüren.
Auf dem Rückweg bestaunten wir auch noch den rasanten Flug eines mächtigen Seeadlers, ehe wir um Mitternacht wieder in Tromsoe einliefen.
Eine Bergwanderung am vorletzten Tag – dies klang recht harmlos, denn es war ja ein Guide dabei. Frode hieß er, war cirka Anfang 40, durch 68 Marathonläufe in 9 Jahren gestählt und eine smarter, hilfsbereiter Norweger. Unser Berg, der „Store Blamann“ war
1044 m hoch, der Weg hinauf 4 km lang (store=groß).
Um 9:30 Uhr begann der Aufstieg auf Meereshöhe. Gut war, dass der Berg total vom Nebel eingehüllt war, sonst hätten einige von uns schon beim Abmarsch kapituliert. Nur das erste Drittel der Strecke war nicht so schwierig, doch dann war es kein Wandern mehr, sondern nur noch Klettern. Die Felsbrocken wurden immer größer.
Als auch noch gefährliche Schneefelder überquert werden mussten, ging es für zwei von uns und wenig später für einen US-Amerikaner nicht mehr weiter. Bei ihnen machte sich Höhenangst breit.
Nach kräftezehrendem Kampf von vier Stunden, bei denen alle vier Extremitäten pausenlos im Einsatz waren, war der Gipfel endlich für den Rest der Gruppe erreicht. Die Wolken waren aufgerissen und wir wurden für unsere Mühen reichlich belohnt. Es bot sich ein fantastischer Blick hinunter auf die Region um Tromsoe, auf die umliegenden schneebedeckten Berge und das Meer, wie man ihn sonst nur vom Flugzeug aus kennt.
Nach einer Stärkung folgte der nicht leichte Abstieg. Auch hier musste jeder Tritt sicher gesetzt werden. Die zurückgelassenen Kollegen wurden wieder aufgesammelt. Nach drei Stunden war unser Kleinbus wieder erreicht. Für die meisten von uns war es die schwerste Bergtour überhaupt, eine absolut abenteuerliche Kletterpartie gewesen.
Am späten Vormittag des Mittwoch hieß es dann Abschied nehmen. Die Boeing 737-300 der Norwegian Airlines brachte uns in ruhigem Flug zurück nach Oslo Gardermoen. Nach mehrstündigem Aufenthalt
flogen wir mit Lufthansa nach Deutschland weiter. Über Süddeutschland und besonders über dem Erdinger Moos aber hatte sich ein gewaltiges Unwetter zusammengebraut, das Kapitän Gaidus erst umflog und er sich dann in eine Warteschleife einreihte. Doch der Flugsicherheitsdienst verbot alle Starts und Landungen in München zu diesem Zeitpunkt. Nachdem der Sprit knapp wurde, mussten wir auf den Stuttgarter Flughafen ausweichen. Nach einer weiteren Wartezeit dort von einer Stunde, die Gewitterstürme hatten sich inzwischen gelegt, flogen wir nach München zurück. Genau um 23:30 Uhr landete unsere Maschine mit ziemlich genervten Passagieren. Unsere Reise war doch noch glücklich zu Ende gegangen.
Mein persönliches Fazit lautet: Norwegen ist zwar ein sehr teures Land, aber allemal eine Reise wert.
So viele vielfältige Eindrücke, eine Intensität von Aktivitäten und
abenteuerlichen Begebenheiten in einer Woche haben ich selten erlebt.
Für die gute Organisation und Leitung möchte ich mich stellvertretend für alle ganz herzlich beim Bernhard bedanken.
Diese Reise wird als „Merls Abenteuerreise“ in die Geschichte des LT Teublitz eingehen. Eine Steigerung ist wohl nicht mehr möglich.

von Charly Münzel